In keiner Disziplin wurde und wird der Hauptgegenstand so hinterfragt wie in der Malerei. Gebrauchswert und Sinnhaftigkeit wurden seit der Entstehung angezweifelt und heftigst diskutiert. Bilder wurden verehrt, verbrannt, gefürchtet, bagatellisiert, haben Kriege ausgelöst, werden für enorme Summen gekauft oder weggeworfen, bilden die Basis jeder Kultur, überfluten uns mittlerweile bis zur Bedeutungslosigkeit, und trotzdem können wir ohne sie nicht sein!
Für mich als jungen Künstler in den 70igerJahren bedeutete diese Frage einen Aufbruch – als Schaffender - zu einer abenteuerlichen Reise vom Ursprung der Bilder über die Klassik bis zur Zerstörung und Auflösung aller Paradigmen in der Jetztzeit. Und noch immer ist jede neue Antwort auf diese Überlegung mit der Heftigkeit meines Existenzkampfes verbunden.
Das Durchschneiden der Leinwand von Lucio Fontana geriet zum Sinnbild und Wendepunkt in meiner Malerei.
Ohne mich groß von Beurteilungen und Einschätzungen ablenken zu lassen, führte und führt mich mein Weg nach wie vor über Grenzen, Hindernisse und Konfrontationen immer wieder zu Brennpunkten, an denen Widersprüche aneinanderprallen und sich entweder auslöschen – oder zu Neuschöpfungen verdichten.
Alles kann zum Bild werden, die Grenzen sind aufgelöst, die schöpferische Verwandlungskraft richtet sich auf lebendige Prozesse genauso wie auf Materialien vielfältigster Art.
Meine Lieblingsvorstellung : „Ins Bild hineingehen – (und sich darin auflösen)“
In den frühen 70iger Jahren begeisterte mich die klassische Ölmalerei und die hohe technische Raffinesse der klassischen Tafelmalerei von Holbein, Bosch, Boticelli, Vermeer van Delft - um nur einige aufzuzählen - bis hin zu den Malern der Wiener Schule des Phantastischen Realismus von Anton Lehmden (meinem Lehrer), zu Hausner, Brauer, aber auch Salvador Dali, René Magritte, Giorgio de Chirico und Max Ernst.
Durch Lasuren das opake Leuchten von Landschaften zu erzeugen oder in Mischtechnik Wiener Sujets zu malen, in höchst möglicher Präzision, war das erklärte Ziel dieser Periode.
Damit begann auch gleichzeitig der Verkaufserfolg bei Einzelausstellungen (Galerie Schwarzer Wien) und Kunstmessen (Art 4 Basel).
Der zeitlich hohe Aufwand der Maltechnik und persönliche Gründe führten Ende der 70igerJahre zu einem Ausbruch und Umbruch in meiner Malerei, der in einem einjährigen Aufenthalt in Kreta vollzogen wurde.
Das Aquarellieren in der freien Natur, der Landschaft, in verfallenen Klöstern bedeutete die Loslösung von der Ölmalerei, der Einbruch des Lichts in meine Sujets, eine heftige Reduzierung im Ausdruck, eine Eroberung von Leichtigkeit und gesteigertem Tempo im Vortrag.
Nach dem Aufenthalt in Kreta geriet die Rückkehr nach Wien zu einem Zwischenaufenthalt, ohne das neue Ziel zu kennen. Auf der Suche nach den nächsten Entwicklungsstufen kam nach Besuchen in Paris und London nun Berlin in den Brennpunkt.
Mich von meinem materiellen Besitz zu trennen und die künstlerische Laufbahn in der Enklave Westberlin fortzusetzen, bedeutete den nächsten noch radikaleren Umbruch.
Der Bildraum war aufgeplatzt. Die Projektionsfläche war aufgeschlitzt, neue Dimensionen wollten erobert werden, vor und hinter der Leinwand wurde gleich wichtig, der künstlerische Schaffensprozess ergoss sich direkt ins Leben.
Das bedeutete zum einen Studium der gegenwärtigen Kunsttheorie sowie der Werke C.G. Jungs, C.L Strauss` bis zur Philosophie von Plato bis Baudrillard, Virilio, Deleuze und Foucault zum anderen das Entwerfen und Durchführen von Kunstaktionen im öffentlichen Raum.
Mein besonderes Interesse galt nicht genutzten und definierten Zwischenräumen sowie brachliegenden Gebäuden und Arealen.
Beispielsweise gelang es aus einer Brache am Anhalterbahnhof - auch durch die Gestaltungslust vieler junger Leute - ein Naturtheater zu errichten, an dem unterschiedliche Veranstaltungen abgehalten werden konnten. Roto Frei Platz Projekt.
Schon zu meiner Studienzeit an der Wiener Kunstakademie begeisterte mich der Bildtechnische Aufbau eines Tafelbildes, besonders der von Ikonen. Die Sorgfalt in der Herstellung eines Bilduntergrunds , die Bedeutungsaufladung des Tafelbildes stand in hohem Kontrast zu den gängigen Gestenmalereien eines Jackson Pollock oder eines Cy Twombly - obwohl mich diese Malereien ebenfalls sehr beeindruckten.
In früheren Zeiten benutze man ein Stück Stoff um es über eine Holzplatte zu ziehen und anzuleimen. Darauf wurde dann ein Halbkreidegrund in vielen Schichten aufgetragen und danach geschliffen bis eine perfekte glatte Oberfläche übrig blieb auf der sich gut malen ließ.
Wenn der Handl ein Kind im Gang eines Basenahauses aussetzt- ganz tief hinten, wo ein Fenster dem Licht dann doch endlich eine Hoffnung lässt - wie erreicht uns das?
Der Miststierer, die angstvolle Frau Schleifer hinter ihrer misstrauischen Kette, der breithüftige Sonntag in Wien, der nicht viel Trost verspricht, wenn's erst dunkel geworden sein wird - ist das pittoresk?
Oder so: ist die Akribie, mit der da berochen, hingesehen, notiert, registriert und technisch perfekt ausgeführt wird - ist das alles zufrieden mit sich und der angemalten Welt?
Oder ist da Liebe dabei? Ist das nicht eine Genauigkeit, die weh tut? Eine kritische Sorgfalt - und also barmherzig? Heute stöbern die Historiker, heute lernen die Soziologen und forschen und filzen und finden und finden und finden in den (wenigen) wunderbaren Bilderbüchern, die vor Generationen gemalt und gedruckt wurden. Finden in diesen Bildern von damals Antworten. Erkennen auch so, wie die leben mussten und wovor die Grund hatten, sich zu fürchten. Und was unzumutbar war an den Lebensumständen der Eltern unserer Eltern.
Will das so eine Verführung sein, diese genaue Schönheit? Den Hinseher, den Draufglotzer, den Illustrationskonsumenten erst einmal locken - und dann kann er wohl kaum mehr weg- schielen. Die Sinnlichkeit dieser Bilder irritieren das Bewusstsein und erwischen, ertappen.
Und verbringt man zusehends Zeit mit den ganz anderen Bildern Handls, die einen ansaugen können, in einen Strudel ziehen ... (man erschrickt, wenn man den Sog merkt - und da dreht man sich schon). Wie ist das mit den Bildern?
Da ist einer genau, der sich nichts schenken will. Da können die Fachleute von der Geologie und Tektonik dieser Tafeln sprechen, von Lasuren und Techniken - aber was sehe ich? Licht, das durch all diese Schichten dringt und wieder Licht
heraufholt. Frau sehe ich, eine ganz weibliche Welt, diese Schlünde und Klammerwurzeln, Löcher, Krater, Höhlen, da will einer wieder und wieder geboren werden, lässt sich drum wieder und wieder anziehen, einholen, einsaugen.
Die meint man zu kennen, so sind einige dieser Bilder. Man will den Ort benennen. Da war ich schon, da wollte ich schon immer hin ... "Da sind Verführungen, die können angenehm werden und sowas verschafft einem schlechtes Gewissen, nicht wahr? Manchmal kann's wie Dantes Inferno aussehen - so aus dem Kopf entstanden, nach gar keinem existieren- den Ende der Welt gemalt.
Handl: hat der manchmal auch Angst vor dem "Erfolg" eines Bildes? Weil er ihn vorausahnen kann, weil er ihn wiederkehren sieht? Einer, der weiß, wie gefährlich Meisterschaft sein kann, will immer noch beharrlich hinter das Geheimnis von Tiefe, Licht, Erde, sogar Himmel kommen.
Auch das Risiko geht er ein.